HUNDERTWASSER

Manifest
  Dein Fensterrecht, Deine Baumpflicht

Das Fensterrecht

Ein Bewohner muss das Recht haben, sich aus seinem Fenster zu lehnen und aussen an der Aussenwand alles umzugestalten, wie es ihm entspricht so weit sein Arm reicht damit man von weitem, von der Strasse sehen kann: dort wohnt ein Mensch.
Seckau, 1958
 
  Wir ersticken in unseren Städten an Luftverpestung und Sauerstoffmangel.

Die Vegetation, die uns leben und atmen lässt, wird systematisch vernichtet.

Unser Dasein wird menschenunwürdig.

Wir laufen an grauen, sterilen Häuserfassaden entlang und sind
uns nicht bewusst dass wir in Gefängniszellen eingewiesen sind.

Wenn wir überleben wollen, muss jeder Einzelne handeln.

Du selbst musst deine Umwelt gestalten.

Du kannst nicht auf die Obrigkeit und auf Erlaubnis warten.

Nicht nur deine Kleidung und dein Innenraum, auch deine Aussenmauer gehört dir.

Jede Art der individuellen Gestaltung ist besser als der sterile Tod.

Es ist dein Recht dein Fenster und, soweit dein arm reicht
auch die Aussenseite so zu gestalten, wie es dir entspricht.

Anordnungen, die dieses Fensterrecht verbieten oder einschränken, sind zu missachten.

Es ist deine Pflicht der Vegetation mit allen Mitteln zu ihrem Recht zu verhelfen.

Freie Natur muss überall dort wachsen, wo Schnee und Regen hinfallen;
wo im Winter alles weiss ist muss im Sommer alles grün sein.

Was waagrecht unter freiem Himmel ist gehört der Natur.

Strassen und Dächer sollen bewaldet werden.

In der Stadt muss man wieder Waldluft atmen können.

Das Verhältnis Mensch-Baum muss religiöse Ausmasse annehmen. Dann
wird man auch endlich den Satz verstehen: die gerade Linie ist gottlos.

Friedensreich Hundertwasser - Düsseldorf, 27. Februar 1972

Gerade in der Architektur für Kinder,
bei Schulen und Kindergärten wurde nach
dem Krieg in geradezu verbrecherischer
Weise gesündigt.

Die Kinder verbringen ihre kostbarste Zeit,
ihre Jugend und Entwicklungsjahre in
Architekturen, die Strafanstalten oder
übereinandergestapelten Hühnerställen
ähneln, in denen die Seele des Kindes
zugrunde geht mit allen bösen
Folgewirkungen für unsere Gesellschaft
- eigene Träume und Schöpfertum, ohne
die der Mensch nicht Mensch sein kann,
werden in diesen autoritären, gefühlskalten
Erziehungsanstalten bereits im Keim
erstickt.

Kopfweh, Unwohlsein, Aggressionen,
psychische Störungen und Flucht in
Narkotika etc., das ist die Rechnung,
die uns allen präsentiert wird.

Ich wurde gebeten, gerade in der Stadt
Wittenberg ein Beispiel, ein Pilotprojekt
in die vernachlässigte humane Richtung
zu geben, nachdem ich mein Anliegen
für eine natur- und menschengerechte
Bauweise bereits seit Jahren unter Beweis
gestellt habe.

Eine bewaldete, bewandelbare
Dachlandschaft, wo die Vielfalt der
Spontanvegetation sich mit der Kreativität
der Menschen trifft, wo Kinderseelen sich
entfalten können wie die Blätter der
Bäume des Waldes, der auf dem eigenen
Dach wächst.

Ganz abgesehen von dem
Anschauungsunterricht in Umweltschutz
in diesem beginnenden ökologischen
Zeitalter.

Es ist der Kampf - das letzte
Rückzugsgefecht der sturen Betonierer,
Nivellierer und Begradiger gegen die
unvermeidliche Wiedergutmachung an
der Natur und der Seele des Menschen.

Hundertwasser - November 1994

Schulgebäude (13 KB)

EINE SCHULE IN WITTENBERG

Umgestaltung des Martin-Luther-Gymnasiums und der Grundschule
"Am Trajuhnschen Bach" in der Lutherstadt Wittenberg nach Plänen des

Wiener Künstlers Friedensreich Hundertwasser
 

Friedensreich Hundertwasser, Maler, Architekt und Ökologe, kämpft leidenschaftlich für ein Leben in Harmonie mit der Natur. Er setzt sich unermüdlich für eine natur- und menschen-gerechte Architektur ein, in der sich der Mensch wohl fühlt.

Was für ein Partner für die Umgestaltung einer Schule, die bisher Ausdruck ganz anders gearteter Denkweise war und in steriler Uniformität bis zu 450mal in der DDR gebaut wurde!

Nach 2ojährigem Schulbetrieb muß der Wittenberger Plattenbau, Typ Erfurt 2, in dem sich ein Gymnasium und eine Grundschule befinden, saniert werden.

Der Anfang

Bereits 1993 entstand die Idee, die anstehende Modernisierung zu nutzen, um ein besonderes "Lebensgefühl" der Schule nach außen sichtbar zu machen und weitere Impulse für das Innenleben geben zu können. Rund, bunt, fröhlich und begrünt sollte die Schule aussehen. Diese Vorstellungen entsprachen ganz der Philosophie Hundertwassers.

Die Kinder malten und zeichneten ihre Vorstellungen.

Ein Brief der SchülerInnen an "Hundertwasser - Wien" und die spontane Antwort des Künstlers, ein erstes Kennenlernen und schon bald die Zusage, ohne Honorar ehrenamtlich zu arbeiten - das waren die Folgen der schulischen Initiative.

Dieses Zeichen für eine moderne, schülerorientierte und
kreative Bildung ist ein mutiger Schritt in die Zukunft.

Michael Sandau, Schulleiter des Gymnasiums

 Außen und innen

Das zweite Modell aus Wien, das im Juni l997 der Öffentlichkeit als abschließende Variante vorgestellt wurde, zeigt eine farbenfrohe und durch organische Formen charakterisierte Erscheinung. Die gesamte Innenraumgestaltung wird von den SchülerInnen und LehrerInnen mit Unterstützung von sachsen-anhaltinischen KünstlerInnen im Unterricht oder Arbeitsgruppen ausgearbeitet. Verschiedene interessante Projekte sind bereits realisiert worden. Die Gestaltung des schulischen Innenraumes enthält eine ständige Weiterentwicklung Veränderung und dauerhafte Auseinandersetzung der SchülerInnen mit Themen der Kunst und der Lebensumwelt.

Die Baukosten werden auf 9,5 Mill. DM beziffert. Möglich wurde die Finanzierung durch eine Bündelung von Förder- und Haushaltsmitteln der Stadt Wittenberg, des Landkreises Wittenberg und des Landes Sachsen-Anhalt. Der Förderverein Hundertwasser des Martin-Luther-Gymnasiums beteiligt sich an der Gesamtfinanzierung durch Sach- und Geldspenden, die Förderer eingebracht haben. Weitere Unterstützung ist sehr gefragt.

Das Wichtigste, was Kinder und Jugendliche brauchen, ist Liebe und Geborgenheit.
Sie haben ein Umfeld nötig, das Phantasien, Träume und Ideen anregt.

Gisela Kummetz, Dezernentin für Bildung und Kultur beim Landkreis Wittenberg

Termine

Im Dezember 1995 wurde die "Hundertwasser-Schule" in die Liste der EXPO-Projekte des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen. Die Bauarbeiten beginnen 1997 und sollen Ende 1998 abgeschlossen sein.

Damit erfolgt auch eine städtebauliche Aufwertung der Plattenbausiedlung an der Schnittstelle von Altstadt und Neubaugebiet "Trajuhnscher Bach".

Die "Hundertwasserschule" gefällt mir sehr gut. Besonders schön sehen die vielen
Türmchen aus. Toll, daß dort dann auch Bäume aus den Fenstern wachsen.

Manuel Kühne, Schüler der 4. Klasse

 Bildung kreativ

Der Schulkomplex des Martin-Luther-Gymnasiums und der Grundschule "Am Trajuhnschen Bach" versteht sich als ein Zentrum in der Region. Moderne Pädagogik, internationale Bildung und Ökologie sollen den SchülerInnen über den Unterricht hinaus Identifikation mit "ihrer" Schule ermöglichen. Der Status "Europaschule", den das Martin-Luther-Gymnasium besitzt, ist dabei nur eine Seite. Vielfältige internationale Schülerbegegnungen und Unterricht in 7 Fremdsprachen die Folge. Ständige kritische Auseinandersetzungen mit künstlerischer Kreativität, Anzweifeln von Erfahrungen und Aufwerfen von Fragen stellen gewohnte Regeln auf den Kopf. Eine Keramikwerkstatt, ein Druck- und Grafikstudio und andere Aktionsbereiche bieten Raum für individuelle Entfaltung.

Adresse

Förderverein Hundertwasser des Martin-Luther-Gymnasiums, Wittenberg e.V.,
Straße der Völkerfreundschaft 129, 06886 Lutherstadt Wittenberg, Tel/Fax 03491 881131 

Wenn wir überleben wollen, muss jeder Einzelne handeln.
Friedensreich Hundertwasser

Die Schule selbst soll eine liebliche Stätte sein, von außen und innen.
Comenius, 1632

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Mit freundlichen Empfehlungen 
Humanistische AKTION  
6/2000 
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www.humanistische-aktion.de/hundertw.htm

Aktualisiert am 26.06.09

 

Sieben Regeln für erfolgreichen Unterricht

PISA-Sieger:
Was macht diese Schule besser?

Die langjährige Direktorin der Gesamtschule erklärt das Geheimnis 

Von dieser Schule können alle lernen: Nirgendwo gibt es bei uns bessere Ergebnisse als an der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden (eine Gesamtschule). Enja Riegel (64) war 19 Jahre Direktorin an der Schule, deren Schüler bei der PISA-Studie am besten in Deutschland abschnitten. Hier erklärt sie sieben goldene Regeln:

  1. Keine Noten in Klasse 5 und 6. "Eine 1 sagt nur: 'Du bist im Klassendurchschnitt prima', eine 6: 'Du bist das letzte'. Wir sagen lieber: 'Hier bist du gut dort musst du nacharbeiten.' Das motiviert zum Weiterlernen."
     

  2. Keine Sitzenbleiber. "Schüler bleiben von der 5. bis zur 10. Klasse zusammen. Sitzenbleiben fördert Scham und Versagensängste, nicht aber das Lernen. Schwache kriegen Sonderaufgaben und Hilfe durch Stärkere - das stärkt den Zusammenhalt."
     

  3. Teamarbeit. "Bei uns bilden acht Lehrer ein Team, das jeden Jahrgang über sechs Jahre hinweg unterrichtet. Dadurch lernen wir den Schüler als Persönlichkeit kennen - und nicht nur als den 'Faulen in Mathe'. Wir können Stärken besser fördern - und jedes Kind hat feste Ansprechpartner."
     

  4. Erfolgserlebnisse außerhalb des Unterrichts. "Bei Projektarbeiten werden Schüler besonders gefordert. Sie dürfen z.B. Gemälde anfertigen - die Ergebnisse werden dann an den Schulwänden ausgehängt. Das macht stolz!"
     

  5. Den Schülern Verantwortung geben. "Bei uns putzen Schüler ihre Klassenräume selbst. So gehen sie achtsamer damit um."
     

  6. Mal richtig Theater machen. "Von den 27.000 Euro/Jahr, die wir beim Putzdienst sparen, werden z.B. Regisseure engagiert. Die inszenieren mit den Schülern Stücke. Beim Schauspielern werden Gefühl, Verstand und Organisationstalent gefordert - Fähigkeiten, die man auch in Mathe braucht."
     

  7. Menschlichkeit fördern. "Unsere Schüler helfen in der Schulzeit in Kindergärten und sozialen Einrichtungen. So lernen sie Nächstenliebe und wie man alte oder kranke Menschen unterstützt - Dinge, die heute wichtiger denn je fürs weitere Leben sind."

TVneu 26/04  (Buch: Enja Riegel: Schule kann gelingen; Fischer)  

 

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.

Lucius Annaeus Seneca

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 Mit freundlichen Empfehlungen 
Humanistische AKTION
6/2004 


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Aktualisiert am 28.11.11