Milgram-Experiment

(Versuch über den Gehorsam)

Auszug aus dem Taschen-Buch 'Hass macht die Erde kalt'
 

Ein landläufiges Vorurteil besagt, daß alle Menschen potentielle Mörder seien. An der Universität von New York wurde zu Beginn der 60er Jahre ein Experiment durchgeführt, das die Beziehung zwischen Autorität, Gehorsam und Aggression klären sollte. Dieses "Milgram Experiment" benannt nach seinem Erfinder Professor Stanley Milgram brachte ganz normale Menschen in die Situation von Folterern.

Der Versuch lief so ab: Die Versuchsperson wurde aufgefordert, den Lernprozeß eines anderen Menschen zu fördern, indem sie mit Hilfe einer Taste immer dann Stromstöße auslöst, wenn der andere einen Fehler macht. Dabei werden die Stromstöße gesteigert, bis sie schließlich eine tödliche Stärke erreichen. Natürlich verletzten die Stromstöße nicht wirklich ihr Opfer, doch Schmerzensschreie vom Tonband ließen das Experiment für die Versuchspersonen ganz real erscheinen. Das bedeutet: Die Testpersonen mußten glauben, daß sie anderen Menschen Schmerzen bereiteten oder sie sogar töteten. Zu Beginn wurden sie über die Wichtigkeit des Versuchs für die Wissenschaft informiert. Während des Experiments war meist ein Wissenschaftler anwesend, der die Versuchspersonen dazu ermutigte oder drängte, den Stromstoß auszulösen.

Man möchte sich wünschen, daß Menschen bereits die Teilnahme an diesem Experiment verweigern würden. Einige taten das auch, doch es fanden sich trotzdem genügend Testpersonen. Man möchte sich auch wünschen, daß die Teilnehmer nun wenigstens irgendwann den Druck auf die Taste verweigert hätten. Doch das Ergebnis war niederschmetternd: In den USA ließen sich 48 bis 65 Prozent der Versuchspersonen bis zum tödlichen Stromstoß bringen. Als im Jahre 1971 in der Bundesrepublik der Versuch wiederholt wurde, waren es sogar 86 Prozent. Doch es gibt wenigstens ein ermutigendes zweites Ergebnis. Wenn keine Autoritätsperson, also kein Wissenschaftler anwesend war, sank die Zahl derer, die bereit waren den Todesstoß auszulösen auf drei Prozent. Wirklich ermutigend aber ist auch dieses Ergebnis nicht, denn es zeigt, daß die Bereitschaft zu unbedingtem Gehorsam tief in der Mehrzahl der Menschen verwurzelt ist.

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Barbara Veith + Hans-Otto Wiebus: 'Hass macht die Erde kalt' die Wurzeln des Rassismus; Peter Hammer Verlag, Taschenbuch DM 19.80. Das Buch ist leicht verständlich geschrieben und sehr zu empfehlen! Es gibt auch einen Film über das Experiment, näheres ist evtl. in Bildstellen oder Büchereien zu erfahren.

Ähnlich eindrucksvoll ist der Film über das Experiment 'Blue Eyed - Blauäugig', in welchem Weiße in die Lage von diskriminierten Farbigen versetzt werden. Die Amerikanerin Jane Elliott hat ihr Leben lang gegen Rassismus und Intoleranz gekämpft. In einem Experiment über menschliches Verhalten in bestimmten Situationen gelingt es ihr, 30 Teilnehmer einer Test-Gruppe so zu manipulieren, daß aus dem "Spiel" grausame Wirklichkeit wird. (Eine Denkmal-Film-Produktion von 1996 in Cooperation mit WDR, 3sat und BR).

 

Der Mensch ist erst dann ganz Mensch, wenn er Verantwortung
für sich und seine Mitwelt übernehmen kann und will.


humanistisch

 
 lesen Sie hierzu auch den Text über 'Mündigkeit'
 


 Mit freundlichen Empfehlungen 
Humanistische AKTION  
2/2000
 


 
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Aktualisiert am 07.03.15