Wahl der Weltnetz-Regierung

Beteiligung bis Mitte August 2000 möglich

wichtige Links zum Thema

Brief des Chefredakteurs von SPIEGEL ONLINE an seine Benutzer im Wortlaut:

Liebe SPIEGEL-ONLINE-Nutzer,

zum ersten Mal in der Geschichte des World Wide Web können sich Internet-User in aller Welt an der Wahl zum Direktorium der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann) beteiligen.

Dieses Gremium, eine Art Weltregierung des Internet, steht bislang im Ruf, von amerikanischen Interessen dominiert zu werden. Die Interessen von Netzbürgern anderer Staaten sind bisher nicht genügend vertreten.

Das will die Intiative www.spiegel.de/icann "I Can! - election 2000" ändern, zu der sich SPIEGEL ONLINE mit Online-Redaktionen anderer Medien und Persönlichkeiten zusammengetan hat, die sich für die Demokratisierung des Internet engagieren. Unser aller Bitte: Setzen Sie sich für die Rechte der europäischen Online-Nutzer ein, nehmen Sie Einfluss, beteiligen Sie sich an der I Can! eLection 2000.

Herzlich

Dieter Degler Chefredakteur SPIEGEL ONLINE

 

eine weitere Information zum Thema:

ComLink-News Juni 2000

ACHTUNG: Dieses sind wichtige Mitteilungen IHRES Internet-Providers. Wegen der besonderen Bedeutung, die die ICANN-Wahlen für jede/n Internet-BenutzerIn haben, währen wir dankbar, wenn Sie diese Nachricht an jede Person mit einer eigenen E-Mail-Adresse in Ihrer Organisation weiterleiten könnten.

Die Zukunft des Internet -- Welt Weite Wahlen -- Stimmen Sie mit!

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt bahnt sich im Internet ein einschneidender Prozess an: Das Internet, welches bisher als 'unregierbar', 'frei' und 'basisdemokratisch' galt, soll unter die Aufsicht und Kontrolle einer zentralen Organisation gestellt werden.

ICANN -- die Internet Corporation of Assigned Names and Numbers -- soll nach dem Willen der US-Regierung zukünftig die Geschicke des weltweiten Netzes bestimmen und lenken. ICANN ist auf dem besten Wege, eine Art "Welthandelsorganisation" (WTO) des Internet zu werden.

NGO-AktivistInnen werden ahnen bzw. befürchten können, was das für das Internet bedeutet!

Die Kompetenzen von ICANN sind enorm:

  • ICANN legt Regeln fest und erläßt Bestimmungen (Legislative, Gesetzgebung)
    z.B. welche Top-Level-Domains (.com, .net, .org usw) es gibt.

  • ICANN richtet über die Einhaltung dieser Regeln (Jurisdiktion, Gerichtsbarkeit)
    indem es z.B. in Streitigkeiten um Domain-Namen entscheidet, und

  • ICANN führt diese Bestimmungen aus (Exekutive, Regierung) indem es die Kontrolle
    über den 'Root-Server', den zentralen Namens-Server des Internet hat, und so z.B.
    Sanktionen (Abschaltung von Domains) durchführen kann.

Dabei ist die Legitimation von ICANN höchst zweifelhaft, denn: Wem gehört das Internet? Immerhin hat ICANN unter dem Druck der wachsenden Kritik die Möglichkeit für alle Internet-BenutzerInnen eingerichtet, an Wahlen teilzunehmen.

Dieses ist tatsächlich das erste Mal in der Geschichte, daß es eine Wahl geben wird, an der alle Menschen der Erde (sofern Sie eine E-Mail-Adresse besitzen) gleichberechtigt teilnehmen können.

Die Wahlen entscheiden über die Besetzung von 5 Sitzen im 19-köpfigen Direktorium von ICANN. Neun Direktoren sind bereits benannt, sie stammen vorwiegend aus Wirtschaft und Wissenschaft. Fünf werden -- nach Regionen getrennt -- jetzt gewählt und den 19. Sitz hat die Vorsitzende von ICANN, Esther Dyson, inne. 4 Sitze bleiben noch leer.

Unser internationler Dachverband APC hat eine Initiative gestartet, um die kritische Diskussion über ICANN zu stimulieren. Wirtschaftliche Interessen ('E-Commerce') haben ein großes Übergewicht im ICANN-Direktorium. Um zu erreichen, daß die Interessen der 'Zivilgesellschaft' in ICANN angemessen berücksichtigt werden, will die APC Kandidaten unterstüzten, die diese gesellschaftlichen Gruppen vertreten.

Wir rufen daher alle unsere NutzerInnen auf: Lassen Sie sich bei ICANN als WählerIn registrieren! Die Registrierung ist einfach und kostenlos unter der Adresse http://members.icann.org/ möglich. Sie müssen Ihren Namen, Ihre E-Mail und Ihre 'normale' Postadresse angeben. ICANN wird Ihnen per E-Mail ein Passwort und mit normaler Briefpost später eine PIN-Nummer zuschicken. Nur mit der richtigen Kombination aus Passwort und PIN-Nummer ist die Stimmabgabe möglich.

aus einer E-Mail-Debatte zum Thema: 

Liebe Leute,

nun habe ich meine ersten Recherchen (aus Providerkreisen) zusammen:

1. Die ICANN gibt es bereits seit längerem.

2. Die sonderbaren scheindemokratischen Wahlen sind neu.

3. ICANN übernimmt nicht alle Adressen, sondern nur die internationalen, wie z.B.: .com, .net, .org, .mil, .firm, .info, ... ... ...

4. Landesspezifische Kennungen bleiben Staatensache (z.B. .de)

5. Eine zentral kontrollierte Blockade durch ICANN scheint technisch nur kurzfristig unrealisierbar, da das Internet auf Grund seiner Architektur recht schnell und unkompliziert "Umleitungen" bauen kann.

Hier noch ein paar Details:

Die ICANN wird die ERSTE Institution sein, die NICHT direkt unter US-Direktive steht. Dafür hat z.B. auch die EU gesorgt. Hierfür gibt es eine große Reihe von Konferenzen, die die Regularien festgelegt haben. Augenscheinlich wird die USA die Macht zwar behalten, aber eben nicht ausschließlich und nicht amtlich. Das ist weitaus besser als bisher. Mehr wäre nicht möglich gewesen. Die USA hätte auch die alleinige Administration behalten können. Die Alternative für Europa wäre dann lediglich eine "Aufspaltung" des Internet, woran keinem gelegen sein kann.

Immerhin geht es hauptsächlich um

- Regelung der Domainvergabe

- Rechtsvereinheitlichung bei Domainvergabe, insbesondere der neuen Domains (.firm .info etc.)

- Routing, und technisches: z.B. Umstellung von IP/4 auf IP/6

Denkbar sind auch Aufgaben wie die Gegenwehr gegen einzelstaatliche Übergriffe der Zensur. Bei aller berechtigten Kritik ist es ein Riesenschritt nach vorne! Daß die direkte(!) Wahl der 5 Direktoren ein Witz ist, ist klar. Niemand dürfte die Kandidaten kennen und keiner der Kandidaten dürfte einen Werbefeldzug starten können. Dennoch ist diese Form der basisdemokratischen Gestaltung ein Dorn im Fleisch des Gremiums, dem Einigungen gegen die Netznutzer schwerer fallen dürften, da die Presse praktisch allgegenwärtig ist und sich die Industrie einiger denn je sein muß, um Beschlüsse zu fassen, denn auch hier treffen zahlreiche Interessen aufeinander.

Zur nationalen Kennungsvergabe:

Das ist bereits heute reguläre Praxis. Die nationalen Kennungen werden (schon länger) durch eine Institution des Landes vergeben, für das die TLD (Top Level Domain, z.B. .de) bestimmt ist. In Deutschland ist das das DE-NIC, übrigens eine Genossenschaft der Provider und in keiner Weise demokratisch und dennoch ist das kein Demokratie-Defizit, oder?

Allerdings ist es notwendig, z.B. die Einrichtung neuer TLDs zu überwachen, damit es nicht zu doppelten Domains kommen kann. Dies steht z.Zt. an für .firm, .info etc.. Außerdem muß sichergestellt werden, daß bei mehreren Organisationen, die die Registrierung von Domains übernehmen (heute schon für die TLDs .com, .net und .org so geregelt), keine Doppelregistrierungen passieren und Streitfälle ÜBERHAUPT geregelt werden können. Dafür ist z.B. die ICANN zuständig.

 Zu einer möglichen Blockade bestimmter Web-Adressen z.B. zwecks einer elektronischen Handelsblockade:

Da die nationalen Domains von den Ländern selbst bzw. dortigen Organisationen verwaltet werden, ist dies unwahrscheinlich. Allerdings gibt es aufgrund der TECHNISCHEN Historie des Internet EINEN letztinstanzlichen Rechner, der die DNS-Services verwaltet. Würde aus diesem Rechner oder einem seiner Spiegel eine TLD gelöscht, so wäre dieser Namensraum nach einer gewissen Zeit international nicht mehr erreichbar. Allerdings könnte ein solcher Akt recht schnell durch eine konzertierte Aktion der anderen Länder gegenstandslos, da nur die Teile des Netzes davon betroffen sein würden, die auf diesen Rechner hören.

Wenn sich also alle oder zumindest eine Anzahl von Ländern auf einen anderen Rechner einigen würden, so wäre es technisch möglich, die Erreichbarkeit zwischen diesen Ländern wiederherzustellen. Daraus ergibt sich, daß ein Land ein anderes nicht vom Internet ausschließen kann sondern sich langfristig nur selbst abschotten kann, wenn die anderen Länder nicht mitziehen. Das Internet könnte also allenfalls durch eine solche Aktion GETEILT werden. Damit das nicht geschieht, hat man nun eine supranationale Organisation geschaffen, die ICANN.

Zu einem vor Monaten erfolgten Hackerangriff auf GMX:

Hier wurde das ROUTING für die Domain nicht ausgeführt, da die Domain aus dem zentralen DNS gelöscht war, nicht jedoch aus dem Namensregister. Hier handelte es sich um ein Problem, das mit dem diskutierten nichts zu tun hat, denn wenn eine Datenbank zur Verkehrsregelung inkorrekt ist, dann würde der Fehler stets auftreten, ganz egal, wer diese Datenbank betreibt. Aber die Folgen von solch willkürlichem Verhalten waren an dem Beispiel gut erkennbar.

Beste Grüße aus Hamburg

Peter v. Hof <P.vH@gmx.de>

 

Wichtige Links zum Thema:

SPIEGEL-Initiative: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/nf/0,1518,74756,00.htm

ZDF-Info zur Wahl: http://www.zdf.de/events/icann/index.htm

Anleitung SPIEGEL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/nf/0,1518,74754,00.htm

Wer ist ICANN?: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/nf/0,1518,74755,00.htm

ICANN-Homepage: http://www.icann.org

Initiative Demokratisches Internet: http://www.democratic-internet.de

Elektronische Postkarten mit Wahlaufruf:

http://www.zdf.de/postkarten/index.asp?confStr=2|Events|84|ICANN-Wahl?=edit

Wahlregistrierung: http://members.icann.org/join_now.htm
 

 

Die Demokratie ist ein Verfahren,
das garantiert, daß wir nicht besser
regiert werden, als wir es verdienen.

George Bernard Shaw

 

weiterer Text zum Internet
 


 
Mit freundlichen Empfehlungen
 
Humanistische AKTION
 
7/2000
 


 
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www.humanistische-aktion.de/weltnetz.htm

Aktualisiert am 08.07.02